LIEDER AUS DEM KOFFER - auf der Durchreise mit dem restorchester

Manchmal dauert es etwas länger: bis die Dinge zusammenkommen, bis die Fähigkeiten die Ideen eingeholt haben und die Erfahrungen und die Umstände irgendwo unterwegs aufeinandertreffen und sich mal zum Kaffee verabreden...

 

Ein langer Weg war es auch für das restorchester.  Nachdem Komponist und Texter Jens Müller bereits zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle zwischen Einstürzende Neubauten und Palais Schaumburg erste musikalische Gehversuche unternahm, zog sich die Durststrecke danach: Man sang wieder Englisch und versuchte mit Wörterbuch und Sonnenbrille bewaffnet international zu klingen. Dann stellt der Ernst des Lebens seine Forderungen; Rechnungen wollen bezahlt, Beziehungen gepflegt, Berufe ergriffen werden.

So ziehen die Stationen vorbei, bis sich in Kopf, Bauch und Herz genug angesammelt hat, bis die berühmte Schublade von eben immer nur fast fertigen Liedern so überquillt, dass sie kaum noch in den Schrank passt und im Keller im Koffer landet, - und bis dann plötzlich alles Sinn ergibt und wie von alleine passiert:

 

Anfang 2012  trifft Müller in der einRaum-Galerie auf das 30-jährige kreative Multitalent Sascha Dettbarn, der zeigt sich interessiert, man verabredet sich im gemütlich-schummrigen Heimstudio seiner Band Deerwood und beginnt mit Waschbrett, Glockenspiel, Akustikbass und Pappkoffer, mit Gitarren, Banjo und Ukulele aufzunehmen. Und tatsächlich - Lieder die ihr Dasein im Dunkeln der Schublade gefristet haben, erwachen zum Leben, Wörter auf fleckigem Notizbuchpapier werden zu Klängen zwischen Chanson und Folk, zwischen Tango, Tex-Mex und Wüstengitarre.

Die musikalische Reise durch die Einflüsse rund um den Erdball prägt auch die Texte, die Aussicht aus dem Taxifenster schärft den Blick für die kleinen tragikomischen Szenen des Lebens::

Da werden "Banken zu Burgerbars" und "Schaufenster zu Spiegeln", in denen man sich "leicht verwaschen, schwer verwirrt" selbst wiedererkennt, immer "unentschieden nach Verlängerung" in der "Bahnhofsbuchhandlung" des Lebens.

Wo selbst Liebespaare feststellen müssen, dass es mit der "öffentlichen Nahverkehrsanbindung manchmal nicht ganz reibungslos funktioniert", - und selbst wenn man ja eigentlich weiss, dass man "traurige Lieder, alte Geschichten und bestimmte Getränke nicht mischen" sollte, ist man in der melancholisch-heiteren Welt des restorchesters "nicht KO sondern OK, solang man noch steht"...

 

Da ist es nur schlüssig, dass das Debutalbum, das seine Feuertaufe live bereits wie ganz nebenbei im Dezember bei 3 Konzerten im historischen Art Deco-Spiegelzelt feierte, nun im März unter dem Titel "auf der Durchreise" erscheint - natürlich in der einRaumGalerie... Der Koffer ist also gepackt, die Reise geht weiter!

Und wenn dieser abgewetzte, alte Koffer, der mit Besen und Klöppeln bearbeitet als Schlagzeugersatz dienen muss, der ist, mit dem sich vor fast 50 Jahren die frisch verlobten eigenen Eltern auf dem Bahnhof einer Kleinstadt trafen, ist das auch wieder eine von diesen Geschichten...

Manchmal dauert es eben etwas länger!